In eine Klinik gehen
Was? Ich soll in eine Klinik? Eine Psychiatrie? Das ist doch nur was für Bekloppte. So oder so ähnlich dachte ich, als mein Hausarzt mich an eine Psychiaterin verwies, die mir dann ein Rezept für eine psychiatrische Klinik mitgab.
Ich gebe zu, der Begriff „Psychiatrie” klingt so, als ob man dort nur durchgeknallte Leute trifft, die nachts durch die Gegend laufen und „Halleluja“ rufen. Und ich war ganz der Meinung, dass es sooo schlimm mit mir auch nun wieder nicht ist. Zum Glück heißen diese Orte jetzt „psychotherapeutische“ oder „psychosomatische“ Klinik. Und so kam ich dann doch auf die Idee, dass ich dieses Hilfsangebot annehmen sollte. Zumal die Alternative war, heulend und erschöpft zu Hause im Bett zu liegen.
Um so mehr war ich erstaunt, dass ich in meinem ersten Klinikaufenthalt nur „normale“ Menschen antraf. Ich traf dort Krankenschwestern, Pfleger, StudentInnen, KardiologInnen, MusikerInnen, Arbeitslose, AnwältInnen, UnternehmerInnen, TierpflegerInnen, IngenieurInnen oder ChefInnen. Aus allen Zweigen der Gesellschaft waren dort „normale“ Menschen anzutreffen. Wir waren so unterschiedlich wie Tag und Nacht und doch kamen wir uns schnell sehr nahe, denn alle offenbarten durch ihre Anwesenheit eine Tatsache, die sonst nur wenige Menschen wussten: es geht uns nicht gut und wir wissen nicht mehr weiter.
In den ersten Tagen der Klinik passiert nicht viel. Man bekommt seinen Wochenplan und darf erst einmal in Ruhe „ankommen“. (Ruhe? Wer braucht denn sowas? Zack, zack, ich will geheilt werden…) Man führt erste Gespräche mit den TherapeutInnen und fragt sich noch immer, ob man hier eigentlich richtig ist.
In der ersten Gruppensitzung lernt man dann das so genannte „Blitzlicht“ kennen, bei dem jeder am Anfang der Sitzung sagt, wie es einem geht – sofern man das sagen kann. Die meisten sagen, dass es ihnen nicht so gut geht, aber das war auch nicht anders zu erwarten.
Dann schaut man sich seinen Wochenplan an: Musiktherapie, Achtsamkeitstraining, Einzelgespräch und Bewegung stehen für den nächsten Tag an. Ich bin gespannt.
Hier geht es zum Artikel „In einer Klinik sein“